Steffi Graf - ein Porträt - und ein sportlicher Offenbarungseid

06.01.13

Man kann es sich 100 mal in der Sportschau-Mediathek ansehen, man würde auch beim 100. Mal noch feuchte Augen bekommen. Wenn man heute sieht, welchen Stellenwert der Tennissport in Deutschland von Mitte der 80er bis Mitte der 90er Jahre durch die damalige immense Medienpräsenz besaß, kommen einem beim Blick auf das Jahr 2013 die Tränen.

Steffi Graf war ohne Frage Deutschlands Ausnahmetennisspielerin und das wird sie auf absehbare Zeit auch bleiben. Jahrelang bestimmte sie die Sportseiten sämtlicher Tageszeitungen noch vor König Fußball. Doch von den großen Zeiten und dem grenzenlosen medialen Interesse zu Zeiten der 377 Wochen an der Spitze der Weltrangliste stehenden Deutschen ist heute nichts, aber auch gar nichts übrig geblieben.

Bezeichnend hierfür steht Grafs Schaukampf im Juni 2011 im Rahmen des Herrenturnieres in Halle/Westfalen. Während die Hauptveranstaltung vor teilweise halbleeren Rängen über die Bühne ging, war das Showmatch mit Julia Görges, Henri Leconte und Yevgeni Kafelnikov restlos ausverkauft und anstelle der 12000 Karten, die die Kapazität hergab, hätte man mit Sicherheit das dreifache an Tickets problemlos verkaufen können.

Steffi Graf zieht in Deutschland also nach wie vor als jede(r) andere aktive Tennisspieler(in). Wie kann es sein, dass ein Superstar aus vergangener Zeit mehr Zuschauer anlockt als ein Quartett erfolgreich spielender deutscher Damen 2013 ? Liegt es daran, dass die ganz großen Erfolge noch fehlen ? Nein ! Die Ursachen für dafür, dass Tennis in Deutschland zu einer Randsportart verkommen ist, die in den meisten deutschen Internetportalen nur noch unter "Mehr Sport" zu finden ist, liegen weit tiefgründiger.

2600 Stunden Live-Tennis zeigte alleine das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Jahre 1986. Das ist mehr als doppelt so viel wie es bei Eurosport im vergangenen Jahr zu sehen gab. Heute liegt die Sendezeit bei ARD und ZDF nahezu bei 0. Ein bisschen Herrentennis aus Halle, ein bisschen olympisches Tennis und ein bisschen Fed Cup bei Eins Plus und ein bisschen Davis Cup. Das war es dann auch schon 2012.

Wie bitte soll die breite Masse in Deutschland heute einen Bezug zu der für viele "schönsten Sportart der Welt" herstellen, wenn man sie ihnen nicht liefert ? Es muss ja nicht gleich so dermaßen aufgezwungen werden, wie es in den 80er Jahren der Fall war, aber gleich gar nichts mehr zu übertragen ist mit Sicherheit der absolut falsche Weg.

Steffi Graf war mit Sicherheit - zudem noch in Kombination mit Boris Becker und später Michel Stich - die allererste deutsche Tennisspielerin, die solch einen Boom in Deutschland ausgelöst hat. Diesen Boom hätte es jedoch niemals gegeben, hätte man Tennis damals so stiefmütterlich behandelt wie heute. Es wäre ein leichtes, Tennis wieder zur Sportart Nr. 2 in Deutschland zu machen. Würden sich alle Medienvertreter sämtlicher großer Verlage und Rundfunkanstalten darauf einigen, in der Rubrik Sport Tennis nach Fußball den zweithöchsten Stellenwert einzuräumen, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis Tennis zumindest annähernd wieder da wäre, wo es einst in der öffentlichen Wahrnehmung stand.

Nur mal als Ansatz: diese Webseite hatte ihren höchsten Zulauf in den Stunden, nachdem das ZDF die Olympiapartie Görges - A. Radwanska übertragen hatte. Bis heute wurde dieser Wert nicht einmal annähernd erreicht und das obwohl die deutschen Damen in der Folgezeit größere Erfolge als einen Erstrundensieg feiern konnten. Das zeigt mir doch: das Interesse an Tennis in Deutschland ist vorhanden. Man muss es den Leuten nur wieder nahebringen.

Besserung jedoch scheint nicht in Sicht zu sein. Denn am Beispiel Martin Kaymer im Golf zeigt sich, dass Erfolg alleine aus einer Sportart nicht gleichzeitig einen Volkssport macht. Der Golfsport ist heute genauso (wenig) populär wie vor Martin Kaymers Sieg bei den PGA Championships und dem Erklimmen der Spitze der Golf-Weltrangliste 2011. Und warum ? Weil die Sportart als Live-Event in Deutschland nur zahlenden Zuschauern von sky vorbehalten ist und auch die Printmedien zwar darüber berichteten, sich aber danach wieder vom Golfsport abgewandt haben.

Daher hätte ein Wimbledon-Sieg einer Deutschen bei weitem nicht die Wirkung, wie sie 1985 bei Boris Becker der Fall war. Dessen Finale gegen Kevin Curren war für jeden frei empfangbar und zudem zierte Becker an diesem Tag das Titelbild der Bild am Sonntag. Angie Kerber dürfte diese Bürde 2013 eher nicht zuteil werden, sollte sie tags zuvor in Wimbledon triumphiert haben. Dafür haben die Medien in den letzten Jahren einen zu großen Bogen um Tennis gemacht.

Auch der Deutsche Tennis-Bund muss sich in diesem Rahmen gewisse Vorwürfe gefallen lassen. WTA-Turniere, wie es sie in Deutschland in den 90er Jahren wie Sand am Meer gab (Hamburg, Leipzig, Berlin, Filderstadt), wurden nach und nach verkauft. Anlagen, die damals von zehntausenden Menschen überfüllt waren, lässt man nach und nach verrotten, weil das Geld, das man zu Hochzeiten mit der Schubkarre transportieren musste, sinnlos verplempert wurde anstatt die Ära Graf-Becker-Stich als Chance zu sehen, den Nachwuchs nachhaltig zu fördern.

Die Popularität einer Sportart steht und fällt mit der Präsenz in frei empfangbaren und zugänglichen Medien. Und damit meine ich nicht Eurosport und das Tennismagazin, sondern ARD/ZDF und Bild. Tennis muss raus aus seiner Nische und alleine das muss nun in den nächsten Jahren die Hauptaufgabe des Deutschen Tennis-Bundes sein, um den Sport wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bewältigt man diesen Schritt, kann alles eines Tages wieder zum Selbstläufer werden. So aber bleibt Tennis in den Köpfen der Deutschen die Sportart, die einst Steffi Graf erfolgreich betrieb und die heute keinen mehr interessiert.