Die scheinheilige Rechtediskussion

05.07.13

Sabine Lisicki steht morgen im Finale von Wimbledon. In Deutschland kann man dies legal nur mithilfe eines Abonnements beim Pay-TV-Sender sky sehen. Nicht einmal das Schweizer Fernsehen (für die, die dies in Deutschland empfangen) überträgt das Finale der Damen. Dort läuft zur selben Zeit die Tour de France. Dass die Tatsache, dass das Wimbledon-Finale nicht im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein wird, nun zu Diskussion führen würde, davon war seit Lisickis verwandeltem Matchball gestern auszugehen.

Denn tatsächlich versuchte die ARD, die sich im übrigen seit Jahren einen feuchten Kehricht um Tennis kümmert, Rechteinhaber sky dessen Exklusivität abzukaufen, um morgen selbst vom größten Tennisereignis für Deutschland seit 14 Jahren berichten zu können. Doch der Pay-TV-Sender machte nicht mit. Angeblich soll er eine dermaßen hohe Summe verlangt haben, dass ein Rechtekauf für die ARD nicht mehr in Frage kam.

Ist sky deshalb nun der böse Bube, dem alle versuchen, den schwarzen Peter zuzuschieben ? Mitnichten ! Seit dem ersten Turniertag sendet sky täglich mit Ausnahme des Middle Sundays aus Wimbledon und das im großen und ganzen höchst professionell. Der einzige Kritikpunkt aus unserer Sicht ist die Vernachlässigung des Damenwettbewerbs. In frühen Runden kam es häufig vor, dass auf allen drei Kanälen nur Herrenmatches liefen, obwohl parallel nicht minder interessante Damenpartien hätten gezeigt werden können. Zumindest einen Kanal hätte man dafür verwenden sollen.

So kam die ARD nun, nachdem bereits zehn von 13 Turniertagen vorüber waren, auf die Idee, dem Kanal, der ansonsten das komplette Turnier überträgt, dessen Filetstück zu entreißen: das Finale der Damen mit deutscher Beteiligung. Warum erst jetzt ? Und warum muss man überhaupt irgendwo anders betteln, wenn man doch von vorneherein die Übertragungsrechte hätte haben können ? Die öffentlich-rechtlichen Sender haben bei der letzten Rechtevergabe wohl nicht damit gerechnet, dass es überhaupt noch jemals einen Tennis-Boom in Deutschland geben könnte und sind nicht einmal in die Verhandlungen eingestiegen. Dafür bekommen sie nun schlichtweg die Quittung.

So scheinheilig wie sich der urplötzliche Möchtegern-Rechteerwerb der ARD darstellt, so scheinheilig kommen nun auch die Medien rüber, die sich über diese "unhaltbaren" Zustände meinen echauffieren zu müssen. Wenn jemand ein ganzes Turnier ignoriert, kann er doch nicht erwarten, dass er dann, wenn es interessant wird, auf einmal über etwas verfügen kann, was ihn im Normalfall nicht interessieren würde.

Wo ist die Empörung über das nicht zu sehende Herren-Finale ? Wo wäre die über das Damen-Finale, wenn es Radwanska - Bartoli hieße ? Sie wäre nicht vorhanden, denn schließlich geht es der ARD nicht darum, endlich wieder Tennis zeigen zu wollen, sondern nur darum, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, den man bei der Abfahrt absichtlich verpasst hat. Im übrigen: warum beschwert sich eigentlich niemand darüber, dass die früheren Runden mit deutscher Beteiligung nicht im Free-TV zu sehen waren ?

Die Rechtelage ist, wie sie ist und sie ist die logische Folge marktwirtschaftlicher Mechanismen. Dass der Tennissport morgen der große Verlierer ist, steht außer Frage, doch er ist es in Wirklichkeit schon, seit die Ausstrahlungen im frei empfangbaren Fernsehen immer weniger geworden sind. Seit Jahren schon wird Sport mehr und mehr mit Fußball gleichgesetzt, nun will schon Sport1 (warum eigentlich nicht "Fußball1" ?) andere Sportarten aus seinem Programm nehmen, um Platz für minderwertigen, viertklassigen Fußball zu schaffen. Wer weiß, wie lange dort die ATP noch läuft, wenn auch bei Pay-TV-Ableger Sport1+ ?

Für Wimbledon kann man in Zukunft nur hoffen, dass sich ein anderer Sender ernsthaft um die Übertragungsrechte ab 2014 bemüht und sie dann auch entsprechend verwertet. Der WTA-Tour liegt ja, was die Rechte an den Premier-Events betrifft, in den Händen von ProSiebenSat.1. Die wären gut beraten, ihre Übertragung nach Wimbledon von ran.de ins TV zu verlegen, zumindest bei Turnieren mit Beteiligung von Sabine Lisicki, nachdem diese nun in allem Munde ist.

Kleinere Turniere wie beispielsweise der Nürnberger Versicherungscup sollten aufgrund ihres Austragungsortes ebenfalls frei empfangbar sein. Doch solange bei Petkovic - Jankovic bei 4:3 im zweiten Satz der Stecker beim BR gezogen wird, sollte sich dieser lieber überlegen, ob er überhaupt ein ernsthaftes Interesse an einer Übertragung besitzt oder es nur zeigt, weil es "aus Versehen im Sendegebiet stattfindet".

Denn auch diese Form der TV-Ausstrahlung wirkte wie so vieles in diesen Tagen: scheinheilig.