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"No-ad" und "Match-Tie-Break" im Einzel - nein, danke !

NO adDie Damen, die häufig in der Doppelkonkurrenz antreten, kennen das Prozedere aus dem Eff-Eff. Kommt es in einem Aufschlagsspiel zu einem Einstand, entfällt die Regelung, zwei Punkte mehr als der Gegner machen zu müssen, um das Spiel zu gewinnen. Stattdessen gibt es den Entscheidungspunkt ("deciding point") und es bestimmt der Rückschläger, von welcher Seite aufgeschlagen wird.

Da mit dieser seit Jahren im Doppel praktizierten Regel sozusagen der "Vorteil" wegfällt, spricht man in Fachkreisen auch von der "no-ad-Regel". Zudem wurde auch der dritte Satz bei Satzgleichstand abgeschafft. Er wurde durch den sogenannten "Match-Tie-Break" ersetzt, einem Tie-Break, der anstelle von sieben bis zu zehn Punkten gespielt wird.

Hauptargument dieser Form der Spielverkürzung in den Doppelwettbewerben war ursprünglich, dem Fernbleiben der Topstars, die sich bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich aufs Einzel konzentrierten, entgegen zu wirken und der damit einhergehenden sinkenden Attraktivität des Doppels entgegen zu steuern. Ein nicht ganz unerwünschter Nebeneffekt dabei: die Spieldauer reduziert sich dadurch ungemein und somit gestaltet sich der Wettbewerb TV-freundlicher als die stundenlangen, nicht vorhersehbaren Einzelpartien.

Gut zu erkennen ist dies in der Beispielgrafik beim Match zwischen Jans-Ignacik/Zanevska und Rogowska/Wickmayer. Diese Dreisatzpartie, die als Einzelbegegnung an der Zwei-Stunden-Marke zumindest gekratzt hätte, war bereits nach einer Stunde und zwölf Minuten beendet. Selbst die deutlich engere Begegnung von Görges/Grönefeld gegen Cetkovska/Melzer nahm keine 100 Minuten in Anspruch.

Die Hoffnung, durch die kürzeren Spielzeiten auch wieder die Stars der Szene zu mehr Doppeleinsätzen bewegen zu können, ging jedoch nicht auf. Die Teilnahmen der Williams-Schwestern außerhalb von Grand Slams (bei denen im übrigen noch nach der "alten" Zählweise gespielt wird) kann man im Jahr an einer Hand abzählen. Viele Top 10-Spielerinnen wie beispielsweise Na Li, Maria Sharapova oder Victoria Azarenka sucht man heutzutage in den "Doubles Draws" vergeblich. Auf der anderen Seite ist es kaum vorstellbar, dass die absoluten Weltklasseformationen wie Errani/Vinci, Hsieh/Peng oder Makarova/Vesnina zukünftig auf ihre Teilnahme im Doppelwettbewerb verzichten würden, falls man wieder zur Vorteilsregel sowie zum dritten Satz zurückkehren würde.

Dazu wird es jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in unabsehbarer Zeit nicht kommen. Im Gegenteil. Immer wieder werden Stimmen laut, die diese Form der Spielverkürzung auch für die Einzelwettbewerbe einfordern. Hintergrund dabei ist natürlich in erster Linie, den Sport "fernsehfreundlicher" zu gestalten. Die Drei-Stunden-Marathons sollen sozusagen zu 90-Minuten-Quickies degradiert werden. Dadurch könnte man entweder in derselben Zeit mehr Matches zeigen oder alternativ dem Tennis weniger Sendeplatz einräumen. Und wir reden hier nicht etwa über ein deutsches Phänomen. Solche Gedankenspiele gibt es weltweit.

Dabei sollte gerade die Entwicklung des Doppels ein mahnendes Beispiel sein. War dessen Stellenwert in den 80ern und 90ern noch deutlich höher, wenn auch logischerweise immer unterhalb des Einzels angesiedelt, so hat man es durch diese Punkteneuregelung regelrecht "kastriert" und mit Ausnahme der Konkurrenzen bei den wirklich großen Turnieren nahezu bedeutungslos gemacht. Nicht umsonst findet man gerade auf International-Ebene viele wild zusammengewürfelte Paarungen.

Eine alte Floskel besagt: "Tennis wird im Kopf entschieden". Und dieses Zitat hat auch durchaus seine Berechtigung. Es ist sehr wohl ein Unterschied, ob ich nach einem ärgerlich verlorenen zweiten Satz noch einen weiteren kompletten spielen muss oder ob die Entscheidung daraufhin im Schnelldurchgang herbeigeführt wird. Zudem ist man ohne regulären dritten Satz bei einer 1:0-Satzführung automatisch im "schlimmsten" Falle nur noch zehn Punkte vom Sieg entfernt. Auch dieser psychologische Vorteil (wenn man hierbei wirklich von Vorteil sprechen mag) kann im Verlaufe des zweiten Satzes eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielen.

Wie der Match-Tie-Break würde auch eine Abschaffung der Vorteilsregel hin zu "no-ad" dem Tennissport dessen Seele rauben. Sind es nicht gerade die großen, langen Schlachten, die bei den Fans nach Jahren noch in Erinnerung bleiben ? Das Erstrundenmatch bei den French Open 2012 zwischen Virginie Razzano und Serena Williams beispielsweise ist nicht nur deswegen heute noch in allem Munde, weil es die bislang einzige Auftaktniederlage von Williams bei einem Grand Slam-Turnier war, sondern auch wegen des legendären letzten Aufschlagsspiels der Französin, in dem von vergebenen Matchbällen über Anwendung der Hindrance-Regel bis hin zu abgewehrten Breakbällen alles vorhanden war. Zudem ist immer Drama garantiert, wenn sich Schiedsrichterin Eva Asderaki und Serena Williams auf demselben Platz befinden. So geschehen eben auch hier in diesem nie enden wollenden, 25 Minuten langen Aufschlagsspiel, das das Erstrundenaus der haushohen Favoritin schließlich besiegelte.

Genau aufgrund solcher Dramen, die es immer wieder im Tennissport zu beobachten gibt, sollte nichts weiteres unternommen werden, das der Attraktivität dieser Sportart schaden könnte. No-ad und Match-Tie-Break würden in vielen Fällen dazu führen, dass am Ende der etwas Glücklichere und nicht der unbedingt Bessere an diesem Tag gewinnt (wie es heutzutage schon bei Tie-Breaks im dritten Satz der Fall ist). Auf diese Art des Lotteriespiels kann jeder Fan gut und gerne verzichten. Die einzig sinnvolle Änderung wäre eben genau die Abschaffung des finalen Tie-Breaks. Der Spannung täte dies mit Sicherheit keinen Abbruch und von einem "glücklichen" Sieger kann im Nachhinein auch keine Rede sein.

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