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Hodzic kehrt an Ort des größten Erfolgs zurück

Mina Hodzic, die aktuelle Nummer 716 der Weltrangliste, geht heute beim W100-Turnier im französischen Biarritz an den Start. In der ersten Qualifikationsrunde trifft die 22-jährige am Montag auf die an Nummer zwölf gesetzte Lokalmatadorin Jenny Lim. Während dies normalerweise keine Schlagzeile wert wäre, fühlt es sich im Falle von Hodzic wie eine Reise in die Vergangenheit an. Denn an diesem Ort feierte sie einst den größten Erfolg in ihrer bisherigen Karriere.

Vor exakt 103 Wochen, am 6. Juni 2022, ging die damalige Nummer 1208 der Welt in Biarritz, das damals noch als W60-Turnier ausgetragen wurde, ebenfalls in der Qualifikation an den Start. Die erste Gegnerin der an Nummer 15 gesetzten Spielerin aus Moers war die ungesetzte Französin Naia Mercadier. Mit einem unspektakulären 6:2 und 6:2-Erfolg zog Hodzic an ihrem 20. Geburtstag in die zweite Qualifikationsrunde ein. Nebenbei hatte sie sich mit diesem Erfolg die ersten drei Weltranglistenpunkte in dieser Woche gesichert.

Am selben Tag sollte auch noch die zweite Qualifikationsrunde über die Bühne gehen. Da das Draw nur aus 24 Spielerinnen bestand, griffen nun auch die acht topgesetzten Spielerinnen ins Geschehen ein. Hodzic bekam es dabei mit der an Nummer zwei gesetzten Ukrainerin Valeriya Strakhova zu tun. Dass dies ein unvergessliches Match werden würde, hätten wohl beide nicht gedacht.

Dabei begann die Partie relativ unspektakulär. Nach einem gewonnenen ersten Satz durch die Deutsche mit 6:3 schien ihre Gegnerin in Satz zwei ihrer Favoritenrolle gerecht zu werden und glich mit 6:1 in Sätzen aus. Was nun folgte, erlebt man im Profitennis nicht alle Tage. 2022 waren die Regeln in allen Qualifikationsspielen noch so, dass im Falle einer Entscheidung im dritten Satz dieser als Matchtiebreak ausgespielt wird. Dies galt also auch für die Partie zwischen Hodzic und Strakhova.

Viel ausgeglichener als dieser Matchtiebreak konnte ein Match nicht verlaufen. Hodzic erspielte sich insgesamt acht Matchbälle, während auch Strakhova dreimal nur einen Punkt vom Sieg entfernt war. Am Ende triumphierte letztlich doch die Moerserin, die sich mit einem epischen 20-18-Erfolg das wohl schönste Geburtstagsgeschenk selbst gemacht hatte.

Nach einem Tag Pause, der den Qualifikantinnen, die an einem Tag zwei Qualifikationsmatches bestritten haben, zustand, ging die Reise der frischgebrackenen 20-jährigen in der ersten Hauptrunde am Mittwoch weiter. Hodzic traf hier auf die ungesetzte Ekaterina Kazionova. Nach einem knappen mit 5:7 verlorenen ersten Satz dominierte die Deutsche die Partie und setzte sich am Ende ungefährdet mit 5:7, 6:2 und 6:1 durch.

Im Achtelfinale am Donnerstag stand Hodzic dann vor einer bedeutend größeren Aufgabe. Hier wartete die an Nummer acht gesetzte Kolumbianerin Emiliana Arango auf die Moerserin. Obwohl die Favoritenrolle klar bei ihrer Gegnerin lag, ließ sich Hodzic nicht beirren und feierte einen besonders in dieser Höhe mehr als überraschenden 6:3 und 6:2-Erfolg. Die Nummer 1208 der Welt war somit bereits ins Viertelfinale vorgedrungen. Schon dies alleine durfte als kleine Sensation gefeiert werden.

Die Reise aber ging nun weiter und auf den Tag genau heute vor zwei Jahren spielte sich das wohl zweitgrößte Drama auf dem Weg zum Turniersieg für Mina Hodzic ab. Ihre Gegnerin im Viertelfinale war die Französin Chloé Paquet, ihres Zeichens topgesetzte Spielerin in Biarritz und somit nicht nur für das einheimische Publikum klare Favoritin, wenn es um den Einzug ins Halbfinale ging.

Doch auch in ihrer fünften Partie bei diesem Turnier erwies sich die 20-jährige als äußerst zähe Gegnerin. In einem hart umkämpften ersten Satz musste Hodzic zunächst einen Satzball ihrer Gegnerin beim Stande von 4:5 abwehren, um sich wenig später in den Tiebreak zu retten, den sie dann jedoch deutlich mit 7:2 für sich entschied.

Im zweiten Durchgang war die Französin nun die bestimmende Spielerin. Mehrfach ging sie mit einem Break in Führung, doch immer wieder konnte Hodzic das Ergebnis offen gestalten. Ein Break zum 3:5 aus ihrer Sicht sollte letztlich die Entscheidung zugunsten von Paquet bringen, die mit 6:4 den Satzausgleich realisieren konnte, nachdem sie in diesem Spiel zuvor noch 15:40 zurücklag.

So musste der dritte Durchgang die Entscheidung zwischen der deutschen Qualifikantin und der topgesetzten Französin bringen. Bis zum Stande von 4:4 verlief dieser weitestgehend unspektakulär. Das darauffolgende Aufschlagsspiel von Hodzic jedoch sollte es in sich haben. Paquet erspielte sich insgesamt acht Breakchancen und hätte bei einem Erfolg selbst zum Matchgewinn servieren können. Doch Hodzic gelang es, alle acht Möglichkeiten zunichte zu machen und nutzte selbst ihren dritten Spielball zur äußerst glücklichen 5:4-Führung.

Beim Stande von 6:5 und 30:30 bei Aufschlag Paquet war Hodzic mitlerweile nur noch zwei Punkte vom Matchgewinn entfernt. Paquet jedoch gelang es, auszugleichen und die Entscheidung im Tiebreak des dritten Satzes zu erzwingen. Hier lag die Deutsche schnell mit 0:2 zurück, dank vier Punkten in Folge kam sie jedoch mit einer 4:2-Führung im Rücken zum Seitenwechsel.

Tatsächlich jedoch gelang es der Französin in der Folge, auf 4:5 heranzukommen und sich somit die Chance zu erabeiten, um sich mit eigenem Aufschlag zwei Matchbälle zu holen. Dieses Unterfangen scheiterte jedoch krachend. Anstelle zweier Punktgewinne und einem eigenen Matchball für Paquet sicherte sich Hodzic beide Punkte bei gegnerischem Aufschlag und feierte einen dramatischen 7:6(2), 4:6 und 7:6(4)-Erfolg über die Nummer eins des Turniers.

Somit ging es für die Marathonfrau am Samstag ins Halbfinale gegen die an Nummer vier gesetzte Argentinierin Maria Lourdes Carle und auch hier musste die 20-jährige Ausdauer beweisen. Ein enger erster Satz endete mit 7:5 im Tiebreak für die Überraschungshalbfinalistin, den zweiten Satz hingegen sicherte sich ihre Gegnerin mit 6:3. Im entscheidenden Durchgang stand Hodzic beim Stande von 3:5 kurz vor dem Aus. Bei 30:30 fehlten der Argentinierin nur noch zwei Punkte zum Finaleinzug, doch die Moerserin blieb cool und verkürzte zum 4:5 aus ihrer Sicht.

Jedoch musste sie nun den Aufschlag ihrer Gegnerin durchbrechen, wollte sie sich noch selbst die Chance bewahren, um ins Finale einzuziehen. Dies sollte ihr auch gelingen, ebenso wie der darauffolgende Spielgewinn zur eigenen 6:5-Führung. Ermuntert von dieser Aufholjagd sollte ihr noch ein weiteres Break gelingen. Beim Stande von 30:40 konnte sie gleich ihren ersten Matchball verwandeln und somit durch einen 7:6(5), 3:6 und 7:5-Erfolg ins Finale dieses W60-Turniers einziehen, was gleichbedeutend mit dem größten Erfolg ihrer Karriere war.

Doch der erfolgreiche Lauf von Mina Hodzic in Biarritz sollte auch dort nicht enden. Ihre Gegnerin im Finale war die Französin Lucie Nguyen Tan, die mit einer Wildcard ins Hauptfeld gekommen war. Auf ihrem Weg ins Endspiel bezwang Tan unter anderem die an Nummer zwei gesetzte Belgierin Ysaline Bonaventure und die an Nummer drei gesetzte Erika Andreeva.

So begann am Sonntag, dem 12. Juni 2022 um 15:45 Uhr das letzte Kapitel auf der wunderbaren Reise der Mina Hodzic durch Frankreich. Im Gegensatz zu einigen ihrer Partien zuvor verlief diese ziemlich unspektakulär. In beiden Sätzen geriet Hodzic trotz insgesamt vier eigener Aufschlagverluste nie in Rückstand und gewann das Match verdient mit 6:3 und 6:3. So durfte sich die Moerserin in der Woche ihres 20. Geburtstages über den größten Titel in ihrer noch jungen Tenniskarriere freuen, verbunden mit 85 hochverdienten Weltranglistenpunkten.

Diese spülten sie zwischenzeitlich bis auf Platz 477 nach vorne. Kapital aus dieser deutlich besseren Platzierung konnte sie jedoch nicht schlagen. Aufgrund einer Verletzung sollte es bis zum 5. November 2023 dauern, ehe die mittlerweile 21-jährige wieder ein Match auf der Tour bestreiten sollte. Beim W15-Turnier im spanischen Castellon gewann sie in der ersten Qualifikationsrunde mit 6:1 und 6:2 gegen die an Nummer 16 gesetzte Maria Andrienko.

Auch wenn die Moerserin es bis heute nicht mehr in der Weltrangliste so weit nach oben geschafft hat und aktuell "nur" Platz 716 belegt, die Erinnerungen an eine unvergessliche Woche werden immer bleiben. Selbst für den Fall, dass sie in dieser Woche deutlich früher die Segel streichen müsste.

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