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Geht doch, Eva !

Es ist noch gar nicht lange her, da widmete sich Eva Lys einem Thema, das einerseits zwar allgegenwärtig ist, andererseits jedoch so hingenommen wird, wie es sich momentan verhält. Die Rede ist - natürlich - von ihrer Kritik an der mangelnden Berichterstattung über das Frauentennis in Deutschland im allgemeinen. So beklagte die Hamburgerin unter anderem "auf einer Online-Seite über Tennis sind zehn von zwölf Artikeln über Männer, obwohl die Grand Slams gleichzeitig laufen" oder "bei den Männern wird über jede Runde berichtet, bei den Frauen weiß man gar nicht, wie unsere Turnierplanung aussieht oder welche Runden wir gewinnen".

Ohne Frage hat Lys hier einen Punkt. Dass der Fokus der Medien schwerpunktmäßig auf dem Geschehen auf der ATP-Tour liegt, ist für jeden ersichtlich. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Es gibt nunmal weitaus mehr Menschen sowohl in Deutschland als auch weltweit, die sich für die ATP-Tour interessieren. Das belegen alleine schon die weltweiten Ticketverkäufe und TV-Quoten. Und was mehr interessiert, das wird auch mehr gesucht und was mehr gesucht wird, das wird auch mehr geklickt. Und bei jedem Klick klingelt die Kasse des jeweiligen Seitenbetreibers. Warum also sollten die Anbieter an ihrer ATP-freundlichen Strategie etwas ändern ?

Unbestritten ist doch zudem, dass das deutsche Tennis bei den Herren aktuell um Längen erfolgreicher ist als das bei den Damen. Auf der einen Seite thront Alexander Zverev auf Platz zwei der Weltrangliste, auf der anderen Seite hatten die Damen bei den US Open noch damit zu kämpfen, dass danach überhaupt noch eine Deutsche in den Top 100 steht. Nur dank der Erfolge von Jule Niemeier und Tatjana Maria in den letzten Wochen ist dies für die nächste Zeit zunächst einmal gesichert. Und wie es danach weitergeht, kann niemand vorhersehen.

Wie gut, dachte sich da gestern dann wohl Eva Lys: wenn es angeblich keine Erfolgsmeldungen von den deutschen Damen mehr gibt, dann produziere ich eben selbst eine. Und was soll man sagen ? Es hat funktioniert. Jeder Tennisfan in Deutschland dürfte mittlerweile mitbekommen haben, was sich gestern am späten Abend im tunesischen Monastir abgespielt hat. Die 22-jährige schien in ihrer Partie gegen die topgesetzte Belgierin Elise Mertens hoffnungslos unterlegen, lag mit 1:6 und 0:2 zurück und drehte auf einmal die gesamte Partie auf eine Weise und in einer Vehemenz, die ihresgleichen suchte. Von der Spielerin, die kurz davor war, eine Klatsche besonderen Ausmaßes zu erhalten, zur gefeierten Heldin. Das sind die Geschichten, die man lesen will. Mit solchen Wendungen, die zudem noch ein gutes Ende nehmen, erlangt man die Aufmerksamkeit, die man sich selbst erhofft.

Nur müssen solche Erfolgsgeschichten eben öfter und auch teilweise auf deutlich größerer Bühne geschehen. Die einzige Spielerin im gesamten Tennisjahr 2024, die bei einem Grand Slam-Turnier die dritte Runde erreicht hat, ist Jule Niemeier bei den US Open. Ansonsten war das Jahr aus Grand Slam-Sicht für die deutschen Damen faktisch zum vergessen, klammert man mal den Mixed-Wettbewerb in Roland Garros aus. Warum also sollten diese Leistungen dieselbe Aufmerksamkeit erhalten wie ein Alexander Zverev, der bei jedem Grand Slam-Turnier in diesem Jahr mindestens das Achtelfinale erreicht hat ? Dies wäre mit Sicherheit auch für die Damen nicht von Vorteil, solange es keine in die zweite Woche schafft.

Das grundsätzliche Problem im deutschen Frauentennis auf WTA-Ebene ist daher, dass es schlichtweg zu wenige Erfolgserlebnisse gibt. Man kann zwar auch Artikel über verloren gegangene Matches verfassen im gleichen Stil, wie man es über gewonnene tun würde, damit die Balance zwischen Damen und Herren ausgeglichener ist. Doch wer bitte will freiwillig einen Artikel lesen, der fast ausschließlich von Niederlagen deutscher Spielerinnen handelt ? Damit lockt man keinen Leser vom Ofen hervor und neue Fans gewinnt man dadurch ebenso wenig. Kein Wunder also, dass der Fokus in Deutschland aktuell fast ausschließlich auf den Herren liegt.

Darum, liebe Eva Lys, sprich das Thema, das dir auf dem Herzen liegt, gerne weiter an. Lege auch weiterhin den Finger in die Wunde, aber vergiss dabei eins nicht: ohne Erfolge deutscher Damen wird Frauentennis nicht einmal ansatzweise den Umfang der Berichterstattung erhalten wie es momentan bei den Herren der Fall ist. Und dass diese Erfolge gefeiert werden können, dafür bist du mit all deinen anderen Kolleginnen verantwortlich. Gib den Medien einen Grund, über dich zu berichten und sie werden es tun. Dank dir hat man erst gestern wieder bemerkt: es geht doch.

Veröffentlichungsdatum:
Turnier: Monastir 2024