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Laura Siegemund: Spiel verloren, aber Sympathien gewonnen

Die Sensation war zum Greifen nah, doch am Ende sollte es nicht reichen für die 26jährige Laura Siegemund bei ihrem ersten Auftritt in einem WTA-Hauptfeld nach fast vier Jahren. In Bad Gastein als krasse Außenseiterin gegen die an Nr. 3 gesetzte Spanierin Carla Suarez Navarro ins Rennen gegangen, lehrte die aktuelle Nummer 210 des WTA-Rankings der Favoritin lange Zeit das Fürchten, bezwingen konnte sie sie am Ende leider nicht.

Bei ihrer 6:7(3) 6:1 und 4:6-Niederlage zeigte die deutsche Nummer 10, die in diesem Jahr bereits zwei Turniere auf ITF-Ebene gewinnen konnte, welches Potenzial in ihr schlummert. Möglichkeiten, die Partie für sich zu entscheiden, hätte es für sie womöglich gegeben, wäre der erste Satz anders verlaufen.

Hier führte Siegemund nach schwachem Start und kurzer Regenunterbrechung völlig überraschend mit 4:3 und Break gegen die haushohe Favoritin. Doch diese Führung war nicht lange von Dauer. Suarez Navarro holte sich den Aufschlag postwendend zurück und glich zum 4:4 aus. Dennoch gelang es der Deutschen, den Tie-Break zu erreichen, in welchem sie jedoch von Beginn an einem Rückstand hinterherlaufen musste und am Ende auch mit 3:7 unterlegen war.

Allzu beeindruckt schien Siegemund von diesem Satzverlust jedoch nicht zu sein. In Satz 2 zog sie konsequent ihr Spiel durch und ließ die spanische Nummer 1 phasenweise ziemlich alt aussehen. Der Lohn dafür war ein hochverdienter 6:1-Erfolg und ein dritter Satz, der nun die Entscheidung im Match herbeiführen musste.

Bis zum 3:2 aus Sicht von Suarez Navarro bleib zunächst alles in der Reihe, ehe Siegemund etwas leichtfertig ein Break kassierte. Die Favoritin nahm dieses Geschenk dankend an und erhöhte kurz darauf ziemlich problemlos auf 5:2. Siegemund aber ließ nicht locker, gewann ihr nächstes Aufschlagsspiel und schaffte danach sogar das Break zum 4:5.

Alles schien nun auf einen weiteren Tie-Break hinauszulaufen, legte die Deutsche doch in Windeseile ein 40:0 vor. Das aber sollte es dann gewesen sein. Leichte Fehler und ein, zwei Ballwechsel, die Siegemund nicht mit letzter Konsequenz zu Ende spielte, verhalfen der Spanierin zu fünf Punktgewinnen in Folge und somit zu einem hart erkämpften Auftaktsieg bei den NÜRNBERGER Gastein Ladies 2014.

Auch wenn das Match am Ende verloren ging, es macht wirklich Spaß, dieser locker und befreit aufspielenden Deutschen zuzusehen. Siegemund, die Ende des vergangenen Jahres den Lehrgang zum A-Trainerschein absolvierte, scheint auf dem Platz genau die Eigenschaften an den Tag zu legen, von denen eine Andrea Petkovic erst vor wenigen Tagen im Interview mit sky gesprochen hatte. Ihre Unbekümmertheit während der Matches scheint sie zu einer schwerer einzuschätzenden Gegnerin zu machen, als es ihre Weltranglistenposition aussagt.

Beweisen muss sie mit ihren 26 Jahren ohnehin niemandem mehr etwas, denn als hoffnungsvolles Nachwuchstalent kann sie leider nicht mehr gehandelt werden. Im Gegenteil: man würde sich wünschen, so manches Nachwuchstalent hätte etwas von dieser Lockerheit, mit der man manchmal auch Weltklassespielerinnen ins Straucheln bringen kann.

Dabei wurde Siegemund vor kurzem noch als "Teilzeitprofi" tituliert, da ihr Turnierplan vergangenes Jahr im Schnitt gerade mal ein Turnier pro Monat aufwies. Als zudem bekannt wurde, dass sie den A-Trainer-Lehrgang mit Erfolg absolvierte, spekulierten viele bereits auf eine Karriere als Tennistrainerin. Umso überraschender kam es, als Siegemund zu Beginn dieses Jahres bei den Vero Beach Open, einem 25K-Turnier in Florida, an den Start ging und dort sensationell den Titel einheimste mit Siegen unter anderem über die topgesetzte Allie Kiick und die Kanadierin Gabriela Dabrowski.

Auch an den Qualifikationsturnieren für die French Open sowie für Wimbledon nahm die 26jährige 2014 teil und schaffte es immerhin in Paris in Runde 3 und an der Church Road in Runde 2. Der Sprung ins Hauptfeld blieb ihr zwar beidesmal verwehrt, doch der Eindruck, den sie hinterließ, gestaltete sich durchweg positiv.

In Bad Gastein geht die Reise von Laura Siegemund zwar mit der heutigen Niederlage langsam zu Ende (morgen noch im Doppel an der Seite von Lisa-Maria Moser), doch die nächste große Aufgabe wartet auf Deutschlands möglicherweise unterschätztesten Tennisprofi bereits. Auch beim in der kommenden Woche stattfindenden WTA-Turnier in Bastad wird Siegemund ihr Glück in der Qualifikation probieren und uns hoffentlich mit ihrem erfrischenden, unbekümmerten Spiel ähnlich erfreuen wie sie es in dieser Woche getan hat. Auf dass es beim nächsten Mal mit der großen Sensation klappt !

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