Moment mal, ProSiebenSat.1 !
Eine deutsche Senderfamilie hat sich nun endlich die Rechte an der WTA-Premier-Tour gesichert. Wurde auch Zeit ! Was in anderen europäischen Ländern schon seit Brisbane funktioniert, gelang in Deutschland erst mit dreimonatiger Verzögerung. Doch während man dort einfach nur den TV einschalten muss, präsentiert man den Tennisfans hierzulande eine Mogelpackung.
Die Freude über den neuen TV-Deal war anfangs groß. Endlich sind wir nicht mehr auf illegale Livestreams oder mittlerweile überteuertes TennisTV angewiesen, um unsere Mädels live mitverfolgen zu können. Doch die Damen und Herren aus Unterföhring scheinen sich der moralischen Verpflichtung, die sie mit ihrem Rechteerwerb eingegangen sind, gar nicht bewusst zu sein.
Denn in der TV-Landschaft ändert sich beim Thema Live-Tennis von WTA Premiers erst einmal schlichtweg gar nichts. Bislang schaute man über spox.com, nun eben über ran.de. Selbiges Produkt, nur an einem anderen Ort. Dafür braucht man keinen neuen Rechteinhaber. Das ist, als kaufe man sich eine teure Luxuskarosse und lässt sie Tag und Nacht in der Garage stehen und nachdem man umgezogen ist, ändert sich außer der Garage, in dem sich das sündhaft teure Fahrzeug befindet, nichts.
Dabei hätte ProSiebenSat.1 die große Chance, ihr neues "Fahrzeug" endlich zu bewegen. Raus aus der Nische Internet-Live-Stream, rein in den Sender, der ja auch mit dem Fed Cup im April endlich auch einmal etwas anderes zeigt als 24 Stunden pro Tag Wiederholungen uralter Sendungen aus dem letzten Jahrtausend. Die 100. Konserve von "Richterin Barbara Salesch" ließe sich problemlos auf einen anderen Sendetermin zugunsten von Live-Tennis der Spitzenklasse legen, wenn man es denn nur wollte.
28 Spiele sollen angeblich aus Charleston für das TV produziert werden. Um davon überhaupt eines im Fernsehen zu sehen, müsste eine Deutsche, die zudem nicht Angelique Kerber heißen kann, schon ins Halbfinale einziehen. Doch ob Barthel, Görges, Lisicki, Malek oder Petkovic dazu in der Lage sind, ist äußerst fraglich. Live-Tennis im TV ist somit für Deutschland in der kommenden Woche nahezu ausgeschlossen.
Die deutsche Medienlandschaft leidet bis heute unter dem einmaligen Boom der späten 80er und frühen 90er Jahre. Selbst in Ländern ohne Top 10-Spielerin wie beispielsweise der Slowakei laufen die WTA-Matches im TV rauf und runter, obwohl die slowakische Nr. 1 Dominika Cibulkova davon nicht jedes bestreiten kann. Hierzulande versteckt man wohl aus Scham seine neueste Errungenschaft und will sie erst dann der breiten Öffentlichkeit präsentieren, wenn man auch damit angeben kann. "Schaut her, eine Deutsche im Halbfinale und wir zeigen es euch exklusiv". Nicht dass auch noch zum x-ten Mal eine "neue Steffi" propagiert wird.
Die Strategie von ProSiebenSat.1 ist schlichtweg völlig verkehrt. Jetzt hat man schon jede Menge Geld auf den Tisch gelegt, also muss man das Produkt, das man dafür erworben hat, seinen Konsumenten so lange unter die Nase reiben, bis auch der letzte von dessen Qualität überzeugt ist. Doch wie soll das gehen, wenn man nur die guten Zeiten des deutschen Frauentennis präsentieren will und die weniger guten großzügig unter den Teppich kehrt ?
Natürlich, eine Live-Übertragung aus Miami wäre im Nachhinein zwar keine große Werbung für die deutschen Damen gewesen, hätte jedoch mit Sicherheit den einen oder anderen Zuschauer dazu verleitet, sich auch das nächste Turnier anzuschauen, sei es auch nur mit dem Hintergedanken, die Deutschen "noch einmal ablosen" zu sehen. Aus Sicht der Quote sind die Hintergedanken der Zuschauer egal und möglicherweise wäre man ja in Charleston eines besseren belehrt worden. Doch wenn man dem Zuschauer diese Wahl nicht gibt, wird er nie wieder Zugang zu dem Sport bekommen, der vor 20-25 Jahren in Deutschland ein Straßenfeger war.
Daher, liebe Freunde aus Unterföhring, fasst euch ein Herz und baut Sat.1 Gold oder einen anderen Kanal eurer Familie zu Deutschlands Tennissender Nr. 1 auf. Das Geld ist bezahlt, die Plattformen habt ihr, also was hindert euch daran ? Die landläufige Meinung, Tennis interessiert in Deutschland keinen mehr, kann es in jedem Falle nicht sein. Denn ansonsten müsst ihr euch die Frage gefallen lassen, was ihr mit den Turnierrechten überhaupt wollt.