Siegemund und Krejcikova - wenn der Kreis sich schließt

08.01.2024 - 09:20
Laura Siegemund

Der 9. Januar 2024 dürfte in der Karriere von Laura Siegemund und Barbora Krejcikova einen besonderen Platz einnehmen. Erstmals gehen beide gemeinsam bei einem Turnier in der Doppelkonkurrenz an den Start. Was diesen Tag besonders macht: beide verbindet eine traurige Vorgeschichte. Ein Rückblick auf einen Tag, den alle Fans von Laura Siegemund am liebsten aus ihrem Gedächtnis streichen würden und auf den Krejcikova auch liebend gerne verzichtet hätte.

Es war Donnerstag, der 24. Mai 2017. Nürnberger Versicherungscup, Nürnberg, Clubanlage FCN. Der Spielplan sah bereits um 11 Uhr das Achtelfinalmatch zwischen Laura Siegemund und Barbora Krejcikova vor. Das Wetter war bestens, die Partie, wie man es von Siegemund-Matches gewohnt ist, eine langwierige Angelegenheit. Ganze 34 Minuten dauerte es, ehe es einmal 2:2 stand. Danach ging es etwas zügiger zur Sache und nach exakt einer Stunde hatte die Deutsche den ersten Satz mit 6:4 für sich entschieden. Auch Satz zwei gestaltete sich zäh. Zu Beginn gingen fast alle Spiele desöfteren über Einstand, viele Aufschlagverluste, doch nach weit mehr als einer Stunde war der Satz mit 5:5 dennoch ausgeglichen, nachdem Siegemund kurz zuvor einen Satzball Krejcikovas noch abwehren konnte.

Das sechste Aufschlagsspiel der Tschechin in Satz zwei verlief zunächst relativ unspektakulär. Man hatte gespürt, dass sie nun nach mehr als 2,5 Stunden Gesamtspielzeit einen Gang zulegen konnte und mittlerweile eigentlich die bessere Spielerin auf dem Platz war. Doch ihre deutsche Gegnerin wehrte sich nach Kräften bis, ja bis zum Stande von 30:15. Beim Versuch, einen Vorhandball von Krejcikova noch zu erreichen, blieb Siegemund während ihrer Rutschbewegung mit dem rechten Fuß im Platz hängen, während ihr Knie mit voller Geschwindigkeit immer weiter nach rechts abknickte und das Unglück seinen Lauf nahm.

Die Zuschauer hatten den Vorfall im ersten Moment noch gar nicht realisiert. Als eine am Boden liegende Siegemund mit den Worten "Eis bitte !" auf ihre Situation aufmerksam machte, war jedoch jedem im Publikum klar, was die Stunde geschlagen hatte. Eine hilflose deutsche Spielerin lag am Boden und dazu eine tschechische Spielerin, die zunächst nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Als sie bemerkt hatte, unter welchen Schmerzen ihre Gegnerin litt und dass wohl etwas dramatisches passiert sein musste, brach auch sie in Tränen aus. Dieses Ende hatte sie sich mit Sicherheit nicht gewünscht, besonders weil sie im Match immer mehr die Oberhand hatte und der Satzausgleich in greifbarer Nähe lag.

So aber musste sie mit ansehen, wie ihre Gegnerin mit einer Trage vom Platz getragen werden musste. Und während sie auf diese unerfreuliche Weise ins Viertelfinale eingezogen war, war für Siegemund aufgrund des später diagnostizierten Kreuzbandrisses die Saison beendet. Erst im März 2018 sollte sie auf die Tour zurückkehren bei einem 25K-Turnier in Santa Margherita di Pula.

Obwohl die Schwäbin in der Folge auch im Einzel immer wieder aufhorchen ließ, kristallisierte sich nach und nach heraus, dass sie im Doppel so ziemlich alles erreichen könnte, wenn sie nur die richtige Partnerin an ihrer Seite hätte. Diese schien dann auch 2020 mit Vera Zvonareva endlich gefunden zu sein. Völlig unerwartet pflügten beide durch das Feld bei den US Open und hielten am Ende den Siegerpokal in die Höhe. Somit hatte Siegemund nicht nur einen Grand Slam-Titel im Mixed (US Open 2016 mit Mate Pavic), sondern auch einen im Doppel. Drei Jahre später sollte diesen Erfolgen noch eins draufgesetzt werden mit dem Triumph bei den WTA Finals und das, obwohl sich Siegemund/Zvonareva erst in letzter Sekunde überhaupt qualifiziert 
hatten.

Da die mittlerweile 39-jährige Zvonareva angekündigt hatte, im kommenden Jahr etwas kürzer zu treten, musste sich Siegemund anderweitig orientieren, will sie auch im kommenden Jahr mit einer festen Partnerin die Tour bestreiten. Dabei kam ihr zugute, dass das tschechische Top-Doppel um Katerina Siniakova und Barbora Krejcikova von 2024 an getrennte Wege gehen wird und beide daher auf der Suche nach neuen Partnerinnen sind.

Die Chancen für Siegemund, im Laufe dieser Saison den Thron in der Doppelwelt zu besteigen, stehen so gut wie nie. Ganze 470 Punkte trennen sie noch von der Spitze, die aktuell von Storm Hunter besetzt ist. Der Vorteil der 35-jährigen ist zudem, dass die große Mehrzahl an Punkten, die sie zu verteidigen hat, erst gegen Jahresende ansteht.

Die Entscheidung pro Krejcikova als Begleiterin auf diesem Weg erscheint jedenfalls goldrichtig. Diese gewann in ihrer Karriere alle vier Grand Slam-Turniere, olympisches Gold und die WTA Finals. Eine bessere Partnerin hätte sie - zumindest auf dem Papier - kaum finden können. Und die Tschechin wird nach ihrer "gemeinsamen Vergangenheit" mit Sicherheit liebend gern Siegemunds letzte Schritte auf dem Weg zur offiziell besten Doppelspielerin der Welt begleiten. Damit hätte sie nicht nur die schwärzeste Stunde in Siegemunds Karriere miterlebt, sondern auch deren größte Sternstunde.