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Kein Grund zur Panik

Sie sind schon wieder zu vernehmen, die ersten Stimmen, die den Abgesang auf das deutsche Frauentennis herbeizitieren. Mit nicht einem einzigen Sieg im Hauptfeld verlassen die deutschen Damen das Turnier von Indian Wells. Qualifikantin Jule Niemeier kann ihre haushohe Führung gegen die US-Amerikanerin Robin Montgomery nicht ins Ziel retten, Tatjana Maria war erwartungsgemäß chancenlos gegen die Schweizerin Belinda Bencic und selbst aus Lucky Loser Lys ist am Ende gegen Caroline Dolehide ein Unlucky Loser geworden.

Selbstverständlich sind das nicht die Ergebnisse, die man als deutscher Tennisfan von den Damen erwartet. Zumindest von Niemeier hätte man den Einzug in die zweite Runde, insbesondere aufgrund des Spielverlaufs, erwarten können. Dass Maria gegen Bencic auf verlorenem Posten stand, dürfte die wenigsten überraschen und auch das Glück von Eva Lys ist eben nicht endlos, auch wenn manche ihren Achtelfinallauf in Melbourne als Strohfeuer dank günstiger Auslosung abtun wollen.

Dabei vergisst man, in welchem Zustand sich das deutsche Frauentennis noch bis vor kurzem befand. Es ist gerade einmal ein halbes Jahr her, da bestand vor Beginn der US Open die Befürchtung, dass nach dem Turnier keine einzige deutsche Spielerin mehr innerhalb der Top 100 in der Weltrangliste zu finden sein würde. Erst Jule Niemeier, der es als einziger deutscher Spielerin überhaupt gelang, im Kalenderjahr 2024 in die dritte Runde bei einem Grand Slam-Turnier einzuziehen, konnte dieses Schreckensszenario verhindern.

Letztendlich geht es auch gar nicht darum, wie die deutschen Damen bei einem einzelnen Turnier abgeschnitten haben. In wenigen Wochen ist Indian Wells längst in Vergessenheit geraten, dann bestimmen Miami, Charleston und hierzulande insbesondere Stuttgart die Schlagzeilen. Es geht um das große ganze und genau hier ist Deutschland auf einem sehr guten Weg, dem deutschen Damentennis endlich wieder mehr Relevanz zu verleihen.

Und dieser Weg ist nun mal verknüpft mit einem Namen: Eva Lys. Seit die 23-jährige ihr Glück als Lucky Loser bei den Australian Open maximal ausgereizt hat, ist das deutsche Damentennis auch medial aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Zu den Faktoren, die diesen "Mini-Boom" ausgelöst haben und die ihn bis heute am Leben erhalten, zählen nicht nur die Resultate, die Lys in den vergangenen Wochen eingefahren hat, sondern zudem die Tatsache, dass Tennis-Deutschland nach dem Ende der "goldenen Generation" um Angelique Kerber endlich wieder eine Sympathieträgerin in seinen Reihen hat. Stets gut gelaunt, immer ein Lächeln auf den Lippen und das Herz auf der Zunge, so schafft man es, die Massen zu begeistern. Und wenn dazu noch die Ergebnisse halbwegs stimmen, kann man sich der medialen Aufmerksamkeit sicher sein. Daran kann auch die eine oder andere Niederlage nichts ändern. Diese gehören nun mal zum Sport dazu.

Aber alles nur auf Lys zu setzen, ist das nicht ein bisschen riskant und auch zu wenig, um das neu gewonnene mediale Interesse nachhaltig am Leben zu erhalten ? Wäre die deutsche Nummer eins tatsächlich die einzige in der U25-Fraktion, von der man in den nächsten Monaten und Jahren etwas zu erwarten hätte, in jedem Falle. Doch aktuell kämpfen mit Ella Seidel, Noma Noha Akugue und Nastasja Schunk gleich drei deutsche Spielerinnen schon seit einiger Zeit darum, endlich auch die Top 100 zu knacken. Alle drei standen einmal kurz davor, bei Schunk kam nach ihrem Aufstieg bis auf Platz 143 in der Weltrangliste eine Verletzung dazwischen, die sie ein ganzes Jahr außer Gefecht setzte. Ansonsten wäre sie wohl noch weit vor Lys auf einer zweistelligen Platzierung gestanden.

Auch der weitere Ausblick auf die kommenden Jahre lässt die Zukunft hoffnungsfroh erscheinen. Spielerinnen wie Eva Bennemann, Mariella Thamm oder Julia Stusek, die allesamt noch keine 18 sind, haben in den letzten Monaten und Jahren bereits für Furore gesorgt. Nur bekommt die Öffentlichkeit wenig davon mit, da die Turniere, bei denen sie hauptsächlich am Start sind, medial kaum Beachtung finden. Dennoch zählen sie neben vielen anderen Nachwuchsspielerinnen zu den großen Zukunftshoffnungen im deutschen Frauentennis. Einzig und alleine die Zeit muss man ihnen lassen, um sich weiter zu entwickeln und eines Tages durchstarten zu können.

Wie weit es die einzelnen Spielerinnen am Ende letztlich bringen werden, lässt sich aus heutiger Sicht nicht abschätzen. Dafür spielen viel zu viele unterschiedliche Faktoren, die man teilweise selbst gar nicht beeinflussen kann, eine Rolle. Die Hoffnungen auf eine erfolgreiche Zukunft im deutschen Frauentennis sind jedenfalls berechtigt. Man muss eben nur Geduld haben und nicht wegen dreier Auftaktniederlagen in Indian Wells gleich in Panik verfallen.

Veröffentlichungsdatum:
Turnier: Indian Wells 2025